Abschuss von Wölfen wird erleichtert
Innerhalb von zehn Jahren hat sich nach Angaben der EU die Zahl der Wölfe in Europa auf rund 20.300 fast verdoppelt, die Zahl der getöteten Nutztiere, vor allem Schafe und Ziegen, wird auf mindestens 65.000 pro Jahr geschätzt. Vor diesem Hintergrund ebnete der Europarat am Dienstag in Straßburg den Weg für ein schärferes Vorgehen gegen Wölfe. Künftig sollen die Tiere eher geschossen werden dürfen.
Darauf einigten sich die Mitgliedsstaaten der Berner Konvention, eines völkerrechtlichen Vertrags des Europarats über den Schutz wildlebender Tiere und Pflanzen. Mit einer Zweidrittelmehrheit stimmten die Unterzeichnerstaaten dieser Konvention dafür, den Schutzstatus des Wolfes von „streng geschützt“ auf „geschützt“ zu senken. Bisher mussten Staaten Maßnahmen zur Erhaltung des Wolfes ergreifen, die Tiere durften nicht absichtlich getötet werden.
Nach der Entscheidung dauert es nun drei Monate, bis der Schutzstatus im Rahmen der Berner Konvention gesenkt wird. Ein Drittel der Unterzeichnerstaaten könnte in diesem Zeitraum noch ein Veto einlegen. Das gilt aber eher als unwahrscheinlich.
Warten auf Vorschläge der EU-Kommission
Keine Informationen gibt es darüber, welche Länder wie abgestimmt haben. Die EU-Kommission, stellvertretend für die 27 EU-Mitglieder, dürfte dafür gestimmt haben, ebenso die Schweiz. Diese hatte sich bereits 2022 für eine Senkung des Schutzstatus ausgesprochen, war aber am damaligen Nein der EU gescheitert, da die Kommission zu diesem Zeitpunkt noch kein entsprechendes Mandat der EU-Staaten hatte.
Inzwischen änderte die EU ihre Meinung. Der Vorschlag zur Senkung des Schutzstatus war von ihr vor einem Jahr gekommen, nach der Zustimmung der EU-Staaten im September brachte die Kommission einen Abänderungsantrag für die Berner Konvention ein. Es liegt nun an der EU-Kommission, konkrete Vorschläge auszuarbeiten, um die Änderung des Schutzstatus des Wolfes und die Jagdregeln im EU-Recht, insbesondere in der Flora-Fauna-Habitat-(FFH-)Richtlinie, festzulegen. Diese Änderung braucht dann eine Zustimmung einer Mehrheit der EU-Staaten und des EU-Parlaments.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zeigte sich am Dienstag über die Abstimmung erfreut: „Wir brauchen einen ausgewogenen Ansatz zwischen dem Schutz der Wildtiere und dem Schutz unserer Lebensgrundlagen.“ Thomas Waitz, Agrarsprecher der Grünen im EU-Parlament, befürchtet hingegen eine Aushöhlung der Naturschutzrichtlinie, die auch andere Tiere betreffen könnte: „Der Wolf dient den Konservativen als Sündenbock und soll von ihrem Versagen im ländlichen Raum in ganz Europa ablenken.“
Abschüsse leichter möglich
Mit dem geringeren Schutzstatus hätten EU-Staaten mehr Flexibilität bei der Jagd auf Wölfe, ohne dass deren Population in Gefahr sei, hieß es vonseiten des Europarats. Zu den 50 Mitgliedern des Europarats zählen die EU-Staaten und weitere Länder wie Großbritannien und die Türkei.
Bisher dürfen Wölfe in der EU nur abgeschossen werden, wenn sie eine Gefahr für Menschen und Weidetiere darstellen. Für eine Abschussgenehmigung gab es aber hohe Hürden. In vielen Fällen musste erst eine DNA-Analyse abgewartet werden. Vertreter und Vertreterinnen aus der Landwirtschaft und dem Jagdwesen begrüßten die geplante Änderung.
„Meilenstein“ für Landwirtschaft
ÖVP-Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig sprach von einem „weiteren wichtigen Meilenstein für eine leichtere Regulierung des Großraubtieres Wolf“. Der Wolf sei nicht mehr vom Aussterben bedroht und vermehre sich mittlerweile pro Jahr um bis zu 30 Prozent. Ähnlich argumentierte auch der Tiroler Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) – mehr dazu in tirol.ORF.at.
Salzburgs Landeshauptmann-Stellvertreterin Marlene Svazek (FPÖ) bezeichnete die Senkung des Schutzstatus als wichtigen Fortschritt, „um die Balance zwischen Naturschutz und den Bedürfnissen unserer Almwirtschaft sowie des Tourismus zu wahren“. Das sei eine gute Nachricht für die Sicherheit in Österreich, sagte der niederösterreichische Landeshauptfrau- Stellvertreter Stephan Pernkopf (ÖVP) – mehr dazu in noe.ORF.at.
Der Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich, Josef Moosbrugger, spricht von einem Etappensieg. Auch Jagdvertreter begrüßten die Entscheidung. Jagd-Österreich-Präsident Maximilian Mayr Melnhof sieht einen Erfolg für den Artenschutz in Österreich. Der niederösterreichische Landesjägermeister Josef Pröll sprach sich für ein „integrales Wolfsmanagement mit einer Vielfalt aufeinander abgestimmter Maßnahmen“ aus.
„Populistischer Angriff auf Artenschutz“
Kritik gab es hingegen von Umwelt- und Tierschützern. Der WWF Österreich bezeichnete die Schwächung des Schutzstatus als falsches Signal: „Die regierende Politik verweigert die Hausaufgaben und startet stattdessen einen populistischen Angriff auf den Artenschutz.“ Notwendig wäre eine gut geplante Herdenschutzoffensive, so die Organisation. Das Vorgehen sei wissenschaftlich nicht gedeckt.
Eine Rüge für die Entscheidung kam auch vom Naturschutzbund (NABU) in Deutschland. Diese basiere nicht auf Fakten, sondern sei ausschließlich politisch getrieben. Es brauche funktionierende Regeln, wann und in welchem Rahmen ein Wolf mit auffälligem Verhalten getötet werden dürfe. Das sei aber auch im bestehenden Recht möglich.
Quelle
Europarat senkt Schutzstatus: Abschuss von Wölfen wird erleichtert - news.ORF.at