Lange Lacke vor dem Aus! BirdLife Österreich: Die Sodalacken des Seewinkels drohen endgültig zu verschwinden

06. April 2023

Die Grundwasservorräte im burgenländischen Seewinkel haben nach zwei Jahren mit wenig Niederschlag einen Tiefststand erreicht. Gleichzeitig war im vergangenen Jahr im Neusiedler See-Gebiet ein neuer Höchststand an bewässerten landwirtschaftlichen Kulturen zu verzeichnen. Die unmittelbare Folge: Der Großteil der geschützten Salzlacken ist aller Wahrscheinlichkeit nach dauerhaft verschwunden oder weist irreversible Schäden auf. Damit steht das Ende eines weltweit seltenen und wichtigen Ökosystems unmittelbar bevor. Das Wahrzeichen des Seewinkels, die Lange Lacke, hat größtenteils aufgehört zu existieren. Das hat Konsequenzen für die Bewohner:innen der Region und für den Tourismus. Die Vogelschutzorganisation BirdLife Österreich fordert, Grundwasserentnahmen im Seewinkel sofort einzuschränken und in weiterer Folge strikt zu kontrollieren, ansonsten ist dieses Naturjuwel für immer verloren.

Die ehemalige Lange Lacke im Seewinkel am 28. März 2023
Die ehemalige Lange Lacke am 28. März 2023.

Der Seewinkel ist die niederschlagärmste Region Österreichs. In den letzten beiden Jahren blieben die Regenmengen deutlich unter dem langjährigen Mittel. Da die Neubildung des Grundwassers ausschließlich durch Niederschlag erfolgt, ist die Grundwassersituation bereits aus klimatischen Gründen angespannt. Hinzu kommt, dass bewässerte landwirtschaftliche Kulturen innerhalb der letzten acht Jahre um ein Viertel zugenommen haben, so BirdLife. „Allein in den Jahren 2020-22 sind sage und schreibe 16,6 km² an bewässerter Fläche hinzugekommen, wie eine genaue Analyse öffentlich zugänglicher Daten zeigt“, weiß Seewinkel-Experte Michael Dvorak von BirdLife Österreich.

Wasserverbrauch versus Niederschlag

„Für das Jahr 2022 ergibt sich ein Wasserverbrauch von fast 34 Millionen Kubikmetern“, so Dvorak: „Demgegenüber wird das Grundwasserangebot für den Bezirk Neusiedl am See im Mittel auf nur 27 Millionen Kubikmeter geschätzt, in sehr trockenen Jahren können es auch deutlich weniger sein. Bei dieser Kombination von geringen Niederschlagsmengen und stark steigenden Wasserentnahmen innerhalb der letzten zwei Jahre überrascht es also nicht, dass die Grundwasserpegel ins Bodenlose fallen!“ Trockenphasen im Seewinkel gab es immer wieder, doch nun drohe durch die derzeitige verschärfte Wassersituation in wenigen Jahren das unmittelbare Aus der meisten, wenn nicht aller Salzlacken.

Status quo

In den letzten 150 Jahren gingen bereits 110 der ursprünglich 140 Lacken durch verschiedene menschliche Eingriffe unwiederbringlich verloren. Allein innerhalb der letzten drei Jahre ist nochmals die Hälfte der restlichen 30 Lacken verschwunden oder hat schwersten Schaden genommen. Darunter auch die Lange Lacke, das Wahrzeichen des Seewinkels. „Gut die Hälfte des Gewässers ist jetzt so dicht verwachsen, dass der ehemalige Gewässergrund von außen nicht mehr von der Umgebung zu unterscheiden ist!“, schlägt BirdLife-Experte Michael Dvorak Alarm: „Trotz beinahe durchschnittlicher Niederschläge in den Monaten November bis Jänner konnte die Lange Lacke nicht einen einzigen Tropfen Wasser halten!“

Forderungen an die Politik

Die Verbesserung der Grundwassersituation habe oberste Priorität im Seewinkel. BirdLife Österreich fordert die Landespolitik und die Behörden vor Ort auf, die Grundwasserentnahmen sofort einzuschränken und zugleich strikt zu kontrollieren, damit sich der für die gesamte Region überlebensnotwendige Grundwasserhaushalt wieder einpendeln kann. Für das Überleben der wenigen noch vorhandenen Lacken sind ausreichende Grundwasserstände essentiell. Die bisher seitens der Behörde festgesetzten Grenzwasserstände (ab der die Wasserentnahme Restriktionen erfährt) haben sich in Bezug auf den Fortbestand der Lacken als untauglich erwiesen und müssen sofort an die ökologischen Anforderungen angepasst werden, die derzeit von Expert:innen ausgearbeitet werden.

Allererster Schritt zur Rettung der Lacken

Das aktuell beschlossene Life-Projekt „Pannonic Salt“ 2023, von der Europäischen Union mit 12 Millionen Euro dotiert, mit den Partnern Land Burgenland, Nationalpark Neusiedler See und WWF ist ein erster, zentral wichtiger Schritt in Richtung der Rehabilitation des Wasserhaushalts im Seewinkel. In den nächsten fünf Jahren soll der Rückhalt von Oberflächenwasser im Seewinkel durch die Errichtung von Wehren und dem Rückstau der zahllosen Entwässerungsgräben verbessert werden. Die im Zuge dieses LIFE-Projektes geplanten Maßnahmen werden ihre ganze positive Wirkung vor allem dann entfalten, sobald die jährlichen Niederschlagsmengen wieder zunehmen, so BirdLife. 

Hintergrund Salzlebensräume 

Salzlebensräume sind einzigartige und gefährdete Lebensräume. Im Gebiet rund um den Neusiedler See, speziell im Seewinkel, liegt eines der bedeutendsten Binnenland-Salzgebiete Europas und ein eminent wichtiger Vogelrastplatz. Bei einer intakten Sodalacke ist der Lackenboden nach unten hin dicht, das Grundwasser liefert durch die Kapillarwirkung Salze in das System. Reißt diese Verbindung durch ein Sinken des Grundwasserspiegels über längere Zeit ab, süßt die Lacke aus und bewächst sich mit standortsfremden Pflanzen, die den Gewässeruntergrund undicht machen. Als Konsequenz verlandet die Lacke rasch, man spricht von einem regelrechten „Lackensterben“. Der Grundwasserspiegel muss also hoch sein, um den Fortbestand der Sodalacken zu gewährleisten.

 Kontakt

Dr. Susanne Schreiner

Pressesprecherin BirdLife Österreich

www.birdlife.at

BirdLife Österreich

BirdLife Österreich setzt sich für den Vogel- und Naturschutz in Österreich und grenzüberschreitend ein. BirdLife Österreich verwirklicht wissenschaftlich fundierte Natur- und Vogelschutzprojekte in den vier Kernbereichen: Artenschutz, Lebensräume, Nachhaltigkeit und Bewusstseinsbildung. BirdLife Österreich ist Partner von BirdLife International, dem weltweit größten aktiven Netzwerk von Natur- und VogelschutzOrganisationen mit über 2,7 Millionen Mitgliedern in 120 Ländern.

Quelle

BirdLife Österreich, Pressemitteilung vom 29.03.2023