„Angebote der Natur“ sind in Gefahr

11. Juli 2022

Rund 50.000 in freier Wildbahn lebende Tiere und natürlich vorkommende Pflanzen werden weltweit von Milliarden Menschen genutzt. Doch laut einem neuen Bericht des Weltbiodiversitätsrats (IPBES) sind diese „Angebote der Natur“ mehr und mehr gefährdet.

Foto Getreideernte

Die Landbevölkerung in Entwicklungsländern sei am meisten von einem nicht nachhaltigen Gebrauch dieser „Angebote“ betroffen, heißt es in dem IPBES-Bericht. Ein Mangel an Alternativen zwinge sie oft dazu, bereits gefährdete Arten weiter zu nutzen, erklärten die Autorinnen und Autoren. Zu wildlebenden Arten gehören auch Pilze und Rehe im Wald und wildwachsende Beeren und Kräuter – im Gegensatz etwa zu gehaltenen Nutztieren und angebautem Obst und Gemüse.

Vor allem globaler Süden abhängig

Bei einem Kongress in Bonn mit mehr als 900 Vertreterinnen und Vertretern der 139 Mitgliedsstaaten des Weltbiodiversitätsrats wurde der Bericht verabschiedet. 85 Fachleute aus 33 Ländern hatten vier Jahre daran gearbeitet. IPBES, die Zwischenstaatliche Plattform für Biodiversität und Ökosystem-Dienstleistungen, arbeitet seit 2014 in Bonn auf dem dortigen UNO-Campus. Der Bericht soll Entscheidungsträgern Handlungsoptionen aufzeigen.

„70 Prozent der Armen in der Welt sind direkt abhängig von wilden Arten“, heißt es in dem Bericht. Ungefähr ein Drittel der Menschheit verwende Brennholz zum Kochen. Etwa die Hälfte des jährlich global verwendeten Holzes werde für Energie gefällt, ganz überwiegend in Afrika. Die allermeisten der 120 Millionen im Fischfang Arbeitenden seien Kleinunternehmer. Die richtige Nutzung wilder Arten sei nicht nur für den globalen Süden extrem wichtig. „Vom Fisch auf dem Teller, über Medizin, Kosmetik, Dekoration und Erholung – der Gebrauch wilder Arten ist viel mehr verbreitet, als die meisten Leute meinen“, erklärte Mitautorin Marla Emery.

Wichtige Einkommensquelle

Die Nutzung wildlebender Arten sei auch eine wichtige Einkommensquelle für Millionen Menschen. Wilde Baumarten machten zwei Drittel der globalen Industrie mit Rundholz aus. Der Handel mit wilden Pflanzen, Algen und Pilzen sei eine Milliarden-Dollar-Industrie. Der Bericht führt fünf Nutzungsformen an: Fischen, Sammeln, Holzfällen, die Jagd und das Beobachten. In den meisten Fällen habe das Nutzen wildlebender Arten zugenommen, aber der Grad an Nachhaltigkeit sei dabei unterschiedlich.

Drittel der Wildfische überfischt

Zum Beispiel die Fischerei: Nach Schätzungen seien etwa 34 Prozent der wilden Meeresfischbestände überfischt, 66 Prozent würden in biologisch nachhaltigem Ausmaß gefangen. Aber es gebe signifikante Unterschiede. Länder mit einem stabilen Fischereimanagement hätten inzwischen üppigere Bestände. Der Bestand des atlantischen Blauflossen-Thunfischs sei wieder aufgebaut worden, er werde nun auf nachhaltigem Niveau gefischt.

In Ländern mit wenig Management auf dem Gebiet sei der Status der Bestände oft kaum bekannt. Viele kleine Fischunternehmen seien nicht oder nur wenig nachhaltig, vor allem in Afrika bei Inlands- und Meeresfischerei sowie in Asien, Lateinamerika und Europa bei der Küstenfischerei.

Gerechterer Zugang gefordert

Die Autoren des Nachhaltigkeitsberichts meinen, dass unter anderem sichere Pachtrechte und gerechter Zugang zu Land, Fischerei und Wäldern sowie weniger Armut eine nachhaltige Nutzung wildlebender Arten begünstigen. Für viele indigene Menschen sei dies zentral. Fachleute und Einheimische könnten voneinander lernen und die Bedingungen für Nachhaltigkeit verbessern.

Für die Zukunft sehen die Autorinnen und Autoren einige Herausforderungen: Der Klimawandel, die zunehmende Nachfrage sowie effizientere Entnahme durch technologischen Fortschritt. Mit Blick auf den Fischfang plädieren sie unter anderen für eine Verringerung des illegalen und nicht regulierten Fischens und das Abschaffen schädlicher Subventionen. Bei der Holzernte schlagen sie eine Zertifizierung und Bewirtschaftung der Wälder für verschiedene Zwecke vor sowie technische Neuerungen und dadurch weniger Abfall bei der Herstellung von Holzprodukten.

Quelle

Science ORF vom 8.7.2022; letzter Zugriff am 11.7.2022