Sensationsfund im Weltnaturerbe Buchenwald
Ein außergewöhnlicher Käferfund glückte dem Nationalpark-Zoologen Dr. Erich Weigand im Weltnaturerbe Buchenwald im Nationalpark Kalkalpen. Mit dem Nachweis des „Rothalsigen Düsterkäfers“ (Phyrganophilus ruficollis) beheimatet der Nationalpark Kalkalpen nun nachweislich eine der seltensten Käferarten Europas. Es handelt sich hier um eine Urwaldreliktart der Kategorie 1 und welche zudem in der Flora-Fauna-Habitatrichtlinie der Europäischen Union unter prioritären Schutz steht.
„Bislang sind für die Ostalpen erst einige wenige Einzelfunde bestätigt, darunter auch einer von Oberösterreich vor 119 Jahren (Gemeinde Ternberg, Trattenbach, 1904)“, teilten die auf die heimische Käferfauna spezialisierten Biologen Mag. Andreas Eckelt (Museum Innsbruck), Mag. Gregor Degaspari (Tirol) und Konsulent Heinz Mitter (Ansfelden) mit. Der letzte Fund in Österrreich (Nordtirol, 1988) liegt über 40 Jahre zurück. Bei vertiefenden Nachforschungen konnten die Käferforscher den Rothalsigen Düsterkäfer an zwei weiteren Lawinenstrichen im Bodinggraben mit insgesamt 32 Individuen sichten und damit die erste größere Population in den Ostalpen bestätigten. Die nächste bekannte Population liegt in einem Urwald, im Białowieża-Nationalpark, in Polen und Weißrußland.
Im Zuge der Erhebungen im Nationalpark wurden auch basale neue Erkenntnisse zur Biologie und Lebensansprüche dieser Art gewonnen. So war bislang für den fertig entwickelten, geschlechtsreifen Käfer erst ein Lebensalter von zwei Wochen bekannt, nun konnte Andreas Eckelt jedoch ein Alter von mindestens vier Wochen feststellen. Ausschlaggebend für sein Vorkommen ist weniger eine Baumart, sondern viel mehr die Substratqualität, also der spezifische Holzzersetzungsprozess am Totholz.
Gerade in den unberührt gebliebenen Waldgebieten im Weltnaturerbe Buchenwald, wo sich die Bäume über Jahrhunderte natürlich entwickeln konnten, finden wir den höchsten Anteil an Urwaldreliktarten. Es leben hier bspw. bekannte Arten wie der Alpenbock (Rosalia alpina) oder der Scharlachrote Plattkäfer (Cucujus cinnaberinus), aber auch viele unbekannte Arten wie der Orangeflecken-Düsterkäfer (Dircaea australis), eine Art, die nur noch in den letzten verblieben Urwäldern in Europa gefunden wird. Die Tiere benötigen für ihre mehrjährige Entwicklung stark dimensioniertes, weißfaules Buchen- oder Ulmen-Totholz in besonnter Lage. Die Mehrzahl dieser Urwaldrelikte sind in ihrem Überleben von den ebenfalls oft bereits sehr selten gewordenen Baumpilzen abhängig und dies gleich in mehrfacher Hinsicht. Einerseits als vorrangige Nahrungsquelle und zum anderen schaffen sie für die Käfer auch die notwendigen Lebensraumbedingungen. Viele dieser Baumpilze sind in ihren Lebensraumansprüchen an sehr eng abgegrenzte Milieufaktoren gebunden. Dadurch zählen sie von sich aus schon zu den eher selten vorkommenden Organismen. Wenn einige Käferarten nun noch zusätzlich auf nur eine bestimmte Pilzgattung oder sogar nur auf eine einzelne Pilzart angewiesen sind, so ist eine erhöhte Gefährdung der baumpilzbesiedelnden Käferarten nicht weiter verwunderlich.
Um Österreichs Naturerbe und seine Arten zu erhalten ist daher der Schutz von ursprünglichen und alten Wäldern vordringlich, denn genau dort sind die gefährdetsten Waldorganismen noch zu finden. „Mit dem Sensationsfund steigt die Anzahl an Urwaldreliktarten im Waldnationalpark Kalkalpen auf 41 bekannte Arten an“, freut sich Nationalpark Direktor DI Josef Forstinger. „In keinem weiteren Waldgebiet der Ostalpen, welches sich aus den verbreitetsten Leitbaumarten Rotbuche, Fichte und Tanne zusammensetzt, werden gegenwärtig auch nur ansatzweise so viele Relikte bestätigt“. Mit dieser Diversität und Qualität der vorhandenen Totholzfauna zählt der Nationalpark Kalkalpen heute zu den bedeutendsten naturnahen Wäldern Mitteleuropas und zu den wichtigsten Refugialgebieten einer hochgradig gefährdeten und urständigen mitteleuropäischen Waldfauna. Der Fund verdeutlicht einmal mehr die Dringlichkeit und Wichtigkeit weitere Außernutzungstellungen von alten und ursprünglichen Waldlebensräumen.
Kontakt
Dr. Erich Weigand: Tel. 07584-3951-143 Mail
Quelle
Pressemeldung Nationalpark Kalkalpen vom 13.04.2023