Hälfte der Tierarten Kärntens droht auszusterben

22. Mai 2023

49 Prozent der Tiere in Kärnten haben eine erhöhte Aussterbewahrscheinlichkeit. Das zeigt die Rote Liste der gefährdeten Arten, die am 25. Mai präsentiert wird. Besonders in Gefahr seien laut den Experten Endemiten, also die Tiere, die ausschließlich in Kärnten vorkommen.

Foto Zauneidechse

„An dem Buch mit über 1.000 Seiten haben 78 Autoren drei Jahre lang gearbeitet“, sagt Christian Komposch von Ökoteam, dem Institut für Tierökologie und Naturraumplanung, der die Arbeit an der Roten Liste der gefährdeten Tierarten in Kärnten koordinierte. So ein Werk sei nur möglich, wenn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zuvor intensiv über Jahrzehnte an den Themen gearbeitet hätten, verdeutlicht Komposch die Komplexität von dessen Erstellung. Insgesamt wurden 8.468 Tierarten aufgelistet, 4.179 davon gelten als Spezies mit erhöhtem Aussterberisiko. Darunter befinden sich vier Prozent Wirbeltiere, der Rest sind Weichtiere, Spinnentiere, Krebstiere und Insekten. „Die meisten Tiere beachtet man nicht. Wir haben überhaupt keine Idee davon, was rund um uns herum lebt“, so Biologe Komposch.

Auch oft ungeliebte Spinnen nehmen wichtige Rolle ein

Auch wenn diese Tiere sehr klein seien, so habe jedes einzelne seine Aufgabe auf diesem Planeten. So auch die rund 45.000 Spinnenarten, denn gäbe es diese nicht, wären wir von einer Unzahl an Insekten genervt. Die von vielen Menschen weniger geliebten Tierchen fressen rund um den Globus 400 bis 800 Millionen Tonnen Beutetiere im Jahr, wie Martin Nyffeler von der Universität Basel und sein Kollege Klaus Birkhofer von der Universität Gießen herausfanden. Zum Vergleich: Der weltweite jährliche Fleischkonsum des Menschen liegt bei rund 400 Millionen Tonnen.

Widerstandsfähige Ökosysteme als solide Basis

Das Artensterben ist natürlich nicht nur auf Kärnten beschränkt. Röhrenspinnen, Heldbockkäfer und Kappengeier können bereits seit Jahren nicht mehr in Kärnten nachgewiesen werden. Der Verlust der Artenvielfalt ist auch auf globaler Ebene ein wachsendes Problem.

83 Prozent der Arten und 79 Prozent der Lebensräume in Österreich sind laut einem Bericht der European Environment Agency (EEA) in einem mangelhaften bis schlechtem Zustand. Dabei wären intakte Ökosysteme wichtige Verbündete bei der Bewältigung der Klimakrise. „Ein Ökosystem ist dann widerstandsfähig, wenn es möglichst auf einer breiten Basis agieren kann. Ein gesundes Ökosystem basiert darauf, dass wir eine Fülle an Arten haben. Je dünner die Basis wird, umso labiler wird das System“, erklärte Komposch und verdeutlichte die Lage: „Irgendwann kippt dieses System, das ist wie bei dem Spiel Jenga. Im Kippen kann ich es nicht mehr abfangen, doch erst dann beginnen wir zu begreifen, was los ist. Daher sind die Roten Listen wichtig, um ein Bewusstsein für den Ernst der Lage zu schaffen.“

Koralm als „Endemitenhotspot“ in Kärnten

Darum geht es auch in der Sonderausstellung zum Artensterben, die noch bis Oktober im Landesmuseum in Klagenfurt zu sehen sein wird und bei der auch die Naturschutzabteilung des Landes mitarbeitete. Werner Petutschnig von der Abteilung Umwelt, Energie und Naturschutz betonte die Bedeutung der Endemiten. Dabei handelt es sich um 369 Tierarten, die weltweit nur in Kärnten vorkommen. Die Gefältelte Schließmundschnecke zum Beispiel komme ausschließlich auf der Koralm vor, so wie viele andere Laufkäfer- und Spinnenarten. Die Koralpe sei ein Hotspot für Endemiten, was wiederum laut seinem Kollegen Komposch ein kritisches Licht auf die Errichtung der Windkraftanlagen in diesem Gebiet werfe.

Eine Million Arten droht zu verschwinden

Weltweit sieht die Lage ebenfalls ernst aus. Der Weltbiodiversitätsrat IPBES veröffentliche im Mai 2019 einen Bericht, dem zufolge innerhalb der nächsten Jahrzehnte etwa eine Million Tier-, Pflanzen-, Schwammerl- und sonstige Arten aussterben könnten. Michael Kiehn, Tropenbiologe an der Universität Wien, sieht diesen Anstieg der Aussterberate kritisch. „Zwar ist Aussterben ein normales Phänomen von Evolution, denn ohne Aussterben wäre die Erde von Arten überbevölkert“, stellt Kiehn klar und fügt an: „Doch die Geschwindigkeit, in der dies jetzt passiert, bringt sehr viele Arten in eine Gefährdung.“

Pflanzen durch Klimawandel zum „Wandern“ gezwungen

Als Beispiel nennt Kiehn Pflanzenarten, die sich im Gebirge um die Gipfelregionen etablierten. Mit den steigenden Temperaturen wandern Pflanzen aus tiefer gelegenen Regionen nach oben und verdrängen die Eingesessenen, die ihrerseits aber nicht mehr weiter nach oben wandern können und so verschwinden. Doch nicht nur die Klimaerwärmung, auch viele andere menschliche Aktivitäten wie etwa die Versiegelung von Flächen und eine monotone Land- und Forstwirtschaft gefährden die Artenvielfalt.

Renaturierung und Korridore können laut Experten helfen

Durch die Veränderung der Lebensräume verschwinden viele Areale, über die Pflanzen und Tiere ausweichen können. Doch es gibt Möglichkeiten, das Ausdünnen dieser Rückzugsräume einzuschränken. Kiehn empfiehlt die Renaturierung von Flächen und die Schaffung von Korridoren, die diese Arten für Wanderungen oder als zeitweisen Lebensraum nutzen können. Daran arbeitet zum Beispiel auch das Bundesforschungszentrum für Wald. Im Projekt Trittsteinbiotope werden kleine Flächen privater Waldbesitzerinnen und -besitzer außer Nutzung gestellt und sollen so dabei helfen, isolierte Lebensräume zu vernetzen.

Aber es muss nicht immer gleich ein ganzer Wald sein. „Jeder kann was tun“, ist sich Petutschnig sicher. „Im eigenen Garten fängt es an. Man kann hier mit wenig Aufwand einer riesigen Anzahl von Tieren Lebensraum bieten.“ Die breite Palette an Möglichkeiten fange damit an, den Rasen wachsen zu lassen.

Durch die Veränderung der Lebensräume verschwinden viele Areale, über die Pflanzen und Tiere ausweichen können. Doch es gibt Möglichkeiten, das Ausdünnen dieser Rückzugsräume einzuschränken. Kiehn empfiehlt die Renaturierung von Flächen und die Schaffung von Korridoren, die diese Arten für Wanderungen oder als zeitweisen Lebensraum nutzen können. Daran arbeitet zum Beispiel auch das Bundesforschungszentrum für Wald. Im Projekt Trittsteinbiotope werden kleine Flächen privater Waldbesitzerinnen und -besitzer außer Nutzung gestellt und sollen so dabei helfen, isolierte Lebensräume zu vernetzen.

Aber es muss nicht immer gleich ein ganzer Wald sein. „Jeder kann was tun“, ist sich Petutschnig sicher. „Im eigenen Garten fängt es an. Man kann hier mit wenig Aufwand einer riesigen Anzahl von Tieren Lebensraum bieten.“ Die breite Palette an Möglichkeiten fange damit an, den Rasen wachsen zu lassen.

Links

Sonderausstellung zum Artensterben (Landesmuseum Klagenfurt)

Quelle

Kärnten ORF, 21.05.2023 (letzter Zugriff am 22.05.2023)