Falscher Frühling verändert Vogelverhalten im Winter

24. Januar 2023

BirdLife Österreich präsentiert das Endergebnis der „Stunde der Wintervögel 2023“

24.532 Teilnehmende übermittelten ihre Zählergebnisse von Österreichs größtem Citizen Science-Projekt, der „Stunde der Wintervögel“, an die Vogelschutzorganisation BirdLife Österreich. Im 14ten Jahr der Wintervogelzählung war der Haussperling (umgangssprachlich: Hausspatz) der häufigste im Siedlungsraum anwesende Wintervogel Österreichs und verwies den Vorjahressieger Kohlmeise und den Feldsperling (umgangssprachlich: Feldspatz) auf die Plätze zwei und drei.  Österreichweit wurden heuer im Schnitt rund 26 Vögel pro Garten gemeldet, das lag deutlich unter dem Schnitt der letzten drei Jahre (30 Vögel) und dem Vorjahreswert (31 Vögel pro Garten). Der falsche Frühling zu Jahresbeginn dürfte für dieses veränderte Vogelverhalten im Winter verantwortlich gewesen sein.

Foto Vogel frisst Insekten

Mehr Teilnehmende

Die Vogelschutzorganisation BirdLife Österreich gibt abermals einen neuen Teilnahmerekord bei der Stunde der Wintervögel bekannt: 24.532 Naturbegeisterte, das waren etwas mehr als im Vorjahr (23.464), meldeten insgesamt 474.554 Vögel aus dem winterlichen Siedlungsraum. Zum Vergleich: Im Vorjahr waren es noch 580.885. In 458 Gärten wurde kein einziger Vogel gesichtet, das entspricht einer Steigerung von nahezu zwei Drittel gegenüber dem Vorjahr. Seit 2011 haben 152.614 Teilnehmer:innen zur „Stunde der Wintervögel“ insgesamt 3.799.012 Wintervögel im winterlichen Siedlungsraum gemeldet. Der Haussperling (umgangssprachlich: Hausspatz) wurde heuer am häufigsten gemeldet und verwies den Vorjahressieger Kohlmeise und den Feldsperling (umgangssprachlich: Feldspatz) auf die Plätze zwei und drei. Seit Anbeginn der winterlichen Zählungen machen sich diese drei Arten das „Siegerstockerl“ untereinander aus.

Weniger Vögel

Die durchschnittliche Anzahl der Vögel pro Garten lag heuer bei 26 (26,04). Das ist der niedrigste Wert, der jemals erreicht wurde und war deutlich unter dem langjährigen Durchschnitt von 36 Vögel pro Garten (2012 bis 2022), und nochmals deutlich weniger als im Vorjahr (31 Vögel pro Garten). Dieser Rückgang war in allen Bundesländern zu beobachten. „Dabei konnten Vogelarten, die auch im Winter stark auf Siedlungen konzentriert sind, wie der Haussperling, die Türkentaube oder auch der Stieglitz, die Vorjahresergebnisse halten. Bei Aaskrähen und Saatkrähen war eine leichte Zunahme im Vergleich zum Vorjahr bemerkbar, nachdem die Krähen in der Vergangenheit deutlich im winterlichen Bestand abgenommen hatten. Jeder zehnte Teilnehmende konnte sich über Schwanzmeisen an der Futterstelle freuen, was etwas über dem Vorjahrswert lag“, weiß Gábor Wichmann, Geschäftsführer von BirdLife und weiter: „Das Auftreten der Stieglitze im winterlichen Garten blieb hingegen über die Jahre stabil. Die meisten anderen Arten waren weit weniger häufig als im Vorjahr anzutreffen.“ Auch die Schwarmgröße (das gleichzeitige Auftreten in einem Trupp - „Truppgröße“) der TOP-10-Arten reduzierte sich um 10 Prozent über die gesamte Zählreihe.

TOP-3-Wintervögel im Siedlungsraum

Der Hausspatz war bei der diesjährigen Zählung wie im Vorjahr beinahe in jedem zweiten Garten anzutreffen (45,57%), und stellte mit 72.015 Individuen die häufigste im winterlichen Siedlungsraum anwesende Vogelart. Bei diesem Siedlungsspezialisten sind die registrierten Rückgänge im Verlauf seit Anbeginn der Wintervogelzählung im Vergleich zu anderen Arten noch moderat, doch ebenfalls feststellbar: Die Schwarmgröße reduzierte sich und auch ihr durchschnittlicher Winterbestand im Siedlungsraum war über die letzten zehn Jahre tendenziell fallend (minus 0,11 Vögel pro Jahr weniger), jedoch mit einer Stabilisierung in den letzten vier Jahren. Noch deutlicher ist der langjährige Rückgang bei der zweitplatzierten Kohlmeise: Im Verlauf der Zählreihe ist ein negativer Trend (von minus 0,21 Vögel pro Jahr) zu bemerken, auch wenn die Ergebnisse Jahr für Jahr stark schwanken. Der drittplatzierte Feldsperling weist über die Datenreihe ähnlich wie der Haussperling einen leicht negativen Trend auf (minus 0,10 Vögel pro Jahr).

Falscher Frühling sorgt für verändertes Vogelverhalten

„Die Vögel waren witterungsgünstige Selbstversorger!“, erfasst Gábor Wichmann: „Sie hielten sich am Zählwochenende (6.-8.1.2023) eher außerhalb unserer Städte und Dörfer auf. Dafür gibt es einige Erklärungen: Es war ausreichend natürliche Nahrung vorhanden, weil wichtige Nahrungsbäume wie Fichten und Buchen im vergangenen Herbst erneut besonders viele Früchte ausbildeten, die zu Jahresbeginn kaum von Eis oder Schnee bedeckt waren. Aufgrund der Klimaerwärmung häufen sich in den letzten zehn Jahren derartige Mastjahre. Aus unserer inzwischen 14-jährigen Datenreihe lässt sich auslesen, dass ein starker Zusammenhang zwischen Winterhärte und Anzahl der Vögel im Siedlungsraum besteht. Das bedeutet gleichzeitig, dass die Vögel bei milder Witterung vermehrt im Wald bleiben und weniger in die Siedlungen einfliegen“, so Wichmann und weiter: „Auch ein geringerer Zuzug von Vögeln aus dem Norden oder Nordosten Europas aufgrund milderer Winter, wie auch eine mögliche bessere Nahrungsverfügbarkeit ebendort, führen zu einem Rückgang unserer Wintervögel im Garten. Wetter- sowie nahrungsbedingte Wanderbewegungen der Vögel innerhalb Österreichs und von den Bergen in die Täler beeinflussen die Zahlen der Vögel im Siedlungsraum ebenso. Auch die ungebremste Bodenversiegelung, der zunehmende Verlust alter Baumbestände und eine naturferne Gartengestaltung spielen vermutlich eine Rolle, warum kontinuierlich weniger Vögel im winterlichen Siedlungsraum gezählt werden.“

Frühlingsanzeichen zu Beginn des Jahres

Besonders auffällig für den Ornithologen waren die überaus warmen Temperaturen zu Jahresbeginn, wodurch die Vögel bereits heftig zu zwitschern und ihre Reviere zu besetzen begannen. Solch bisher untypisch warmen Winter werden durch die Klimaerwärmung immer mehr zur Normalität. „Welche gravierenden Auswirkungen das auf den Vogelbestand hat, müssen wir zur Stunde der Wintervögel in den nächsten Jahrzehnten live beobachten!“, so Wichmann: „Ein angenehmes Frühlingswetter im Winter darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass dies bereits erste Auswirkungen der menschenverursachten Klimakatastrophe sind, die nicht ohne Folge bleiben!“

Die nächste Stunde der Wintervögel findet von 5. bis 7. Jänner 2024 statt

Quelle und Ergebnisse der Bundesländer 

Pressemitteilung BirdLife Österreich vom 23.01.2023: Endergebnisse der "Stunde der Wintervögel" 2023  (letzter Zugriff am 24.01.2023)