Österreich im Artenschutz-Check: Bundesländer tun zu wenig für streng geschützte Tierarten

27. Juni 2022

Die Naturschutzorganisation WWF Österreich unterzieht die Bundesländer einem Artenschutz-Check. Analysiert werden die Entwicklungen im Schutz und Management von fünf streng geschützten Tierarten, die Schlüsselfunktionen in heimischen Ökosystemen erfüllen: Biber, Fischotter, Seeadler, Luchs und Wolf. “Der Umgang mit diesen wichtigen Tierarten zeichnet ein düsteres Bild vom generellen Umgang mit unserer Natur. Wenigen Verbesserungen stehen zahlreiche, nicht rechtskonforme Maßnahmen gegenüber. Strafzahlungen in Millionenhöhe drohen. Das Geld wäre besser in den Schutz unserer Lebensgrundlagen investiert”, sagt WWF-Expertin Christina Wolf-Petre.

Foto Kinderaugen

So gibt es bereits in mehreren Bundesländern Verordnungen, die streng auszulegende Ausnahmen vom Schutz zur Regel machen. Damit wird gegen europäische Bestimmungen verstoßen. Zudem sind es untaugliche Mittel zur Konfliktlösung. Die Europäische Kommission hat erste Schritte bezüglich der EU-rechtswidrigen Verordnungen eingeleitet. Der WWF fordert die Einhaltung europäischen Naturschutzrechts und die Umsetzung eines Fünf-Punkte-Plans für ein besseres Artenschutz-Management in Österreich.

Die Naturschutzorganisation bewertet die Bundesländer im vierstufigen Ampelsystem auf Basis von Umfragen bei Behörden, ergänzt durch eigene Recherchen und anhand wissenschaftlicher Studien. In allen Bundesländern gibt es erhebliche Defizite. 31 der insgesamt 35 Bewertungen zum Management der untersuchten Arten fallen in die Kategorie schlechte, mangelhafte oder teilweise Umsetzung. Fast überall fehlen politischer Wille und ausreichend Geld für regelmäßige, wissenschaftlich begleitete Bestandserhebungen, Managementpläne sowie vorbeugenden Schutz vor potentiellen Schäden. Wichtige Informationen werden entweder gar nicht oder nur unzureichend der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. “In Zeiten des rasanten, weltweiten Artensterbens fehlt es am nötigen Bewusstsein bei vielen politisch Zuständigen. Wir müssen unser Naturerbe besser schützen, damit sich ehemals ausgerottete Wildtiere wieder erholen und zur Stärkung unserer Ökosysteme beitragen können. Die Basis dafür schaffen gute europäische Naturschutz-Richtlinien, die Österreich leider unzureichend umsetzt“, analysiert Biologin Wolf-Petre vom WWF. Vorausschauendes Management ist auch Grundvoraussetzung für das konfliktarme Zusammenleben von Mensch und Wildtieren.

Fünf-Punkte-Plan für besseren Artenschutz in Österreich

Im Einklang mit europäischen Richtlinien und internationalen Abkommen leitet der WWF aus dem Bundesländer-Barometer fünf zentrale Forderungen an die politisch Verantwortlichen in Bund und Ländern ab.

1. Monitoring verbessern und national abstimmen. Aktuelle und bundesweit vergleichbare Informationen über die Verbreitung und Bestandsentwicklung der relevanten Arten sind essentiell, fehlen aber oft. Man kann nur managen, was man auch misst.

2. Managementpläne und Artenschutzprogramme österreichweit vereinheitlichen und an Best-Practice-Beispielen ausrichten: EU-Vorgaben müssen erfüllt und rechtswidrige Tötungsverordnungen zurückgenommen werden. Wildtiere kennen keine Grenzen, daher muss auch ihr Management bundesländerübergreifend passieren.

3. Präventions- und Kompensationsmaßnahmen österreichweit vereinheitlichen und unbürokratisch gestalten. Dies erleichtert den Interessenausgleich zwischen Naturschutz und Landnutzung. Gerade beim Schutz von Arten, die durch ihr natürliches Verhalten manchmal in Konkurrenz zu menschlichen Interessen stehen, braucht es einen Brückenschlag zwischen allen Betroffenen.

4. Beteiligungspflichten gerecht werden. Verpflichtungen zur Einbindung von Betroffenen sowie Beteiligungsrechte von Umweltschutzorganisationen sind zwar laut Aarhus-Konvention völkerrechtlich bindend, werden aber in Österreich nicht ausreichend umgesetzt. Diese Versäumnisse müssen behoben werden.

5. Natura 2000 Schutzgebietsnetzwerk verbessern. Gefährdete Arten brauchen mehr Lebensräume und Rückzugsgebiete. Daher muss auch das Schutzgebietsnetzwerk Natura 2000 ausgebaut und dessen Management deutlich verbessert werden.

Hintergrund

Laut dem Weltbiodiversitätsrat (IPBES) drohen gloabl bis zu eine Million von geschätzten acht Millionen Tier- und Pflanzenarten auszusterben, wenn keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Der „Living Planet Report“ des WWF spricht vom “größten Artensterben seit dem Ende der Dinosaurier”: Seit 1970 sind die untersuchten Wildtierpopulation weltweit im Schnitt um 68 Prozent eingebrochen. Die Europäische Umweltagentur stellt Österreich ein schlechtes Zeugnis aus: Rund 80 Prozent der bewerteten Arten und Lebensräume in Österreich sind in keinem “guten Zustand”. Die Ursachen sind vor allem menschengemacht – Flächenfraß, Übernutzung und Verschmutzung.

Link

WWF-Bericht “Bundesländer Barometer Artenschutz” 

Kontakt 

Mag. Florian Kozák
Pressesprecher WWF Österreich
E-mail: florian.kozak@wwf.at

Website: www.wwf.at

Quelle

WWF Pressemittlung vom 27.06.2022